Nicht Hilfe, sondern Assistenz

Manche Menschen brauchen bei einigen Dingen im Alltag Hilfe. Ich zum Beispiel kann mich aus eigener Kraft überhaupt nicht bewegen. In meinem Leben gehört Hilfe also zur Normalität und ermöglicht sie sogar erst.

 

Aber Moment mal … Hilfe klingt nach Abhängigkeit und schafft schnell ein ungerechtes Verhältnis. Wird sie jemandem verweigert, weil zum Beispiel in einem Heim keine Zeit ist oder die Fachkräfte abstumpfen, ist das Gewalt. Doch dieses Wissen und die Abhängigkeit des Hilfsbedürftigen erschaffen einen Zwang gegenüber dem Helfenden und das wiederum ist ebenfalls ein Gewaltverhältnis. Genau deshalb ist diese Beziehung zwischen Hilfsbedürftigem und Helfendem kompliziert – gerade wenn die Helfenden Angehörige sind. Leider bilden diese aber den inoffiziell größten Pflegedienst der Welt (nur ohne Bezahlung und Urlaub), was für beide Seiten ein anstrengender bis unmöglicher, stetiger Balanceakt ist.

 

Wenn Hilfe für Menschen wie mich normal ist … Ist es dann auch normal, sich helfen lassen zu müssen, obwohl die Chemie absolut nicht stimmt? Ist es normal, das ganze Leben nach fremdbestimmten Zeitplänen auszurichten? Ist es normal, sich von Fachkräften ins Leben pfuschen zu lassen, weil sie etwas besser wissen, was aber eigentlich weder ihre Entscheidung noch ihre Aufgabe ist? Manche Menschen sind es vielleicht so gewohnt, aber normal ist das nicht – sollte es jedenfalls nicht sein.

 

Stattdessen sollte viel mehr Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglicht werden. Dann kann tatsächlich Normalität entstehen: Ich lege fest, mit wem ich sehr viel Zeit verbringe, wem ich vertraue. Ich entscheide, wann ich was tue – egal, was auf dem üblichen Plan steht. Ich bestimme, dass mein Puls nicht ständig kontrolliert wird, denn 1. melde ich mich schon, wenn was nicht stimmt, und 2. ist der schon immer ziemlich hoch, für mich aber offenbar genau richtig. Bei Treffen für Ehrenamt oder Arbeit oder auch je nach Verhältnis unter Freunden hält die Begleitung die eigene Meinung zurück, um meine Stimme und meine Hand sein zu können. Ja, zur Normalität gehört neben dem üblichen Geben von Essen und Trinken und Waschen zum Beispiel vielleicht auch mal Basteln, Verpacken von Geschenken, Einkleben von Fotos, Shoppen, Assistieren bei Spielen, Blättern von Büchern oder was auch immer nötig ist bzw. was ich mir gerade in den Kopf setze, denn da leiht mir jemand quasi seinen Körper.

 

Die praktische Umsetzung dieser Normalität nennt man Persönliche Assistenz. Das ist nämlich viel mehr als bezahltes Helfen. Hier muss den Wünschen des/der Assistenznehmenden entsprochen werden. Bei Persönlicher Assistenz hat der/die Assistenznehmende über Personalwahl, über Organisation, über Anleitung, über Raum, über Finanzen und über die Anbieterwahl unabhängig von Leistungskomplexen die volle Kontrolle. Das ist dann wesentlich besser und tatsächlich hilfreich. Auch mit einem guten Pflegedienst kann zumindest ein Großteil dieser Prinzipien umgesetzt werden, aber nicht alle.