Wütend darf man sein

 

Egal, wie tolerant und offen ihr seid: Jeder von euch kennt das Gefühl, wenn einem langsam aber sicher die Galle hochkommt. Ich auch. Zum Beispiel in den letzten Wochen wegen IPReG. Ich bin stinksauer, wie man im gesamten Prozess der Gesetzesentwicklung mit uns Behinderten als Betroffene umgegangen ist. Ich bin fassungslos und wütend, dass heutzutage solch ein Gesetz mit gefühlt tausend Hintertürchen für den MDK überhaupt durchkommt. Und wenn ich irgendwo in den Nachrichten das Gesicht dieses Herrn Spahn sehe, würde ich am liebsten irgendwas kaputtmachen. Aber das ist okay. Es ist mein gutes Recht, wütend zu sein.

 

Schlecht oder schädlich wird die Wut erst, wenn man sie in sich hineinfrisst und verdrängt. So gärt sie nur ewig vor sich hin und kann sich nie beruhigen. Das schlägt einem nicht nur wortwörtlich auf den Magen, sondern macht sich irgendwann auch auf andere Art und Weise körperlich bemerkbar.

 

Das heißt jetzt nicht, dass wir alle unsere bösen Fantasien ausführen sollten. Mir kribbelt es zwar ebenfalls bei manchen Menschen gewaltig in den Fingern, aber wenn das alle machen würden, wäre die Welt ein einziges Blutbad. Das innere Teufelchen bleibt also bitte weiterhin brav in seinem Käfig. Außerdem wäre es nur eine unglaubliche Erniedrigung, sich auf solch ein Niveau bzw. ggf. das seines Gegners zu begeben.

 

Stattdessen würde ich vorschlagen, dieses Gefühl in eine positive Richtung zu lenken. Wut ist im Prinzip nichts anderes als Energie. Wir entscheiden, ob diese Energie negativ bleibt oder ob wir sie in einen positiven Kraftschub umwandeln. Das soll heißen, dass ich mich zum Beispiel erstmal körperlich auspowern oder ganz laut schreien und singen könnte, um mich abzukühlen und klarer denken zu können. Auch für ganz gezielte Handlungen kann man – zumindest in den meisten Fällen – seine Wut bündeln. Das kann beispielsweise bedeuten, dass man öffentlichkeitswirksam Position bezieht und für sein Ziel kämpft, sich intensiv in ein Thema einarbeitet, Zeit und Kraft in wichtige Projekte und Beziehungen steckt, anderen, ebenfalls unter dem Konflikt leidenden Menschen, beisteht usw. So kann aus einem negativen Gefühl schlussendlich doch noch etwas Gutes werden. Und wenn es nur ein sauberer Schlussstrich und eine wichtige Lektion fürs Leben ist…

 

Deshalb ist Wut eigentlich sogar wichtig. Die Energie darin kann Auftrieb geben oder alles zerstören. Ich wähle Ersteres. Und ihr?