Traum von Barrierefreiheit

 

Wie würde wohl eine perfekte barrierefreie Wohnung aussehen? Beim Nachdenken über diese Frage wurde mir klar, dass es so eine Traumwohnung gar nicht gibt, denn für jeden sieht sie anders aus. Die meisten denken bei „barrierefrei“ daran, dass etwas stufenlos erreichbar ist. Allerdings bedeutet für jeden Menschen Barrierefreiheit etwas anderes. Es kommt immer auf die Art der Behinderung an. Spielen wir das Ganze doch mal für einige Behinderungen durch:

 

Wie sieht eine ideale Wohnung für einen mobilitätseingeschränkten Menschen aus? Wenn er einen Rollstuhl nutzt, sind Treppen oder Schwellen natürlich überhaupt nicht erwünscht. Genauso wenig wie flauschige hübsche Teppich, weil sie den Rollstuhl quasi festhalten. Außerdem wird viel Platz benötigt. Je größer der Rollstuhl, desto mehr Platz wird gebraucht. Tische, Schränke, Waschbecken und Spiegel müssen die richtige Höhe haben, damit sich niemand die Knie stößt und alle überall rankommen. Manche können sich vielleicht nicht so weit vorbeugen, also sollten Tisch und Arbeitsplatte nur so groß sein, dass jeder auch die hinterste Ecke erreicht.

Vielleicht ist es noch möglich, ein wenig zu stehen. Dann werden wahrscheinlich an manchen Stellen Haltegriffe und ein paar mehr Sitzmöglichkeiten benötigt. Andere Menschen wiederum brauchen vielleicht ein Pflegebett und einen Lifter, um zum Beispiel in den Rollstuhl zu kommen.

 

Und wie sieht eine Traumwohnung für Gehörlose oder Schwerhörige aus? Sie nehmen visuell wahr, was andere hören. Somit darf die Klingel zum Beispiel nicht klingeln, sondern muss ein Lichtsignal geben. Außerdem müssen sie immer die Tür im Blick haben, denn wenn jemand sich ihnen von hinten nähert, hören sie es nicht. Also steht zum Beispiel das Sofa mit Blickrichtung zur Tür in der Stube. Gehörlose Menschen brauchen auch mehr Raum, um in Gebärdensprache kommunizieren zu können. Enge Flure verhindern, dass die Menschen beim Sprechen nebeneinander hergehen können. Die Augen dieser Menschen arbeiten also viel und brauchen auch mal Ruhe, wobei sanftes Licht und gedeckte ruhige Farben helfen. Schwerhörige brauchen vielleicht Schalldämpfung, weil Hintergrundgeräusche sie stören.

 

Und wie ist das, wenn jemand blind ist oder eine Sehbehinderung hat? Solche Menschen achten bei der Wohnungswahl meist mehr auf Akustik und Geruch. Zum Beispiel mögen manche Fußböden, bei denen man jeden Schritt hört, weil das bei der Orientierung helfen kann. Anderen helfen auch starke Kontraste, wenn sie noch einen Sehrest haben. Auch bei der Dekoration achten Sehbehinderte eher darauf, wie sich etwas anfühlt, oder nutzen verbliebenes Sehvermögen. Auf jeden Fall sollten Geräte wie Waschmaschine und Herd statt über Touchscreen mit tastbaren Knöpfen und einrastenden Drehknöpfen bedienbar sein. Hervorgehobene Herdplatten erleichtern das Kochen, sodass Sehbehinderte einerseits nicht versehentlich auf die heiße Platte fassen und andererseits den Topf an die richtige Stelle stellen.

Besonders wichtig ist bei dieser Art von Behinderung aber auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, damit diese Menschen selbstständig alles Nötige erreichen können. Schließlich will keiner ständig ein Taxi rufen. Auch die Umgebung sollte also immer barrierefrei sein, zumindest für den jeweiligen Menschen mit seiner individuellen Behinderung.

 

Jeder Mensch braucht also andere Maßnahmen, andere Veränderungen in der Wohnung und ihrer Umgebung, um barrierefrei leben zu können. Garantiert habe ich bei meiner Aufzählung hier auch einiges vergessen. Aber klar ist nun zumindest: Barrierefreiheit ist gar nicht so einfach definierbar.