Krise als Chance

 

Das Wort „Krise“ erscheint spätestens seit der Corona-Krise als etwas sehr Negatives. Niemand will in eine Krise geraten und in einer Krise zu leben, wie wir alle es aktuell tun, würde sich sowieso keiner freiwillig aussuchen. Wir wollen einfach nur in Ruhe unser Leben genießen und normal fortführen. Störungen in Form von Corona oder was auch immer können wir dabei nicht gebrauchen.

 

Ursprünglich ist eine Krise jedoch an sich nichts Schlechtes. Sie ist schlicht ein Entscheidungs- und Wendepunkt. Ja, sie stellt alles auf den Kopf. Es wird nie wieder wie zuvor sein und solch eine radikale Veränderung macht natürlich Jedem Angst. Aber gleichzeitig zwingt sie uns zu einer Entscheidung: Wie gehen wir mit den neuen Umständen um? Spalten und isolieren sie uns oder vereinen sie uns? Kämpfen wir für ein neues gutes Leben oder versinken wir in Sorgen und Problemen? Sehen wir die Krise als Feind und drohenden Weltuntergang oder als Chance?

 

Ich glaube ganz fest, dass in jeder Krise eine Chance steckt – auch und gerade in einer so einschneidenden wie der Corona-Krise. Ich zum Beispiel kann dadurch, dass Gottesdienste und andere Treffen für alle digital stattfinden müssen, viel leichter teilnehmen. Ich muss dafür nicht mehr lange im Rollstuhl liegen, brauche niemanden, der mich fährt, und keiner muss mich übersetzen oder sich besonders anstrengen mich zu verstehen, weil ich einfach in den Chat schreibe. Damit ist natürlich viel mehr möglich und mein Terminplan ist voller als je zuvor. Außerdem bin ich nun nicht mehr die Ausnahme, nur weil ich von zuhause aus studieren oder mitmachen will und nicht anders kann. Zum Beispiel sind Klausuren im Moment für sehr viele online möglich. Vielleicht habt ihr solche neuen Möglichkeiten auch schon wahrgenommen. Und vielleicht fallen euch noch ganz andere positive Auswirkungen von Corona ein.

 

Wir denken öfter an unsere Gesundheit und informieren uns vielleicht, wie wir unseren Körper und unser Immunsystem von innen unterstützen und aufbauen können, um für uns selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir rücken in Familie und Nachbarschaft enger zusammen, zeigen teilweise echte Solidarität und helfen zum Beispiel anderen, die es gerade nicht können, beim Einkaufen. Wir bemühen uns trotz Abstandsregeln um Nähe und werden dabei kreativ. Wir halten zusammen und denunzieren in hoffentlich guter Nachbarschaft niemanden, weil wir nicht alles kontrollieren müssen und dürfen und uns das selbst auch nicht gefallen würde. Manche nehmen sogar die Ängste und die Verzweiflung anderer wahr und akzeptieren sie ohne Urteil, auch wenn sie diese nicht verstehen.

 

Corona hält doch einige Chancen für uns bereit, vor allem die Chance auf Nächstenliebe und Mitgefühl. Die Entscheidung, diese wahrzunehmen, muss jedoch jeder Einzelne für sich treffen. Man kann niemanden dazu zwingen, denn in einer Krise sind nun einmal beide Wege, beide Entscheidungen möglich und beide werden aus tiefsten Herzen auf der Grundlage von Gefühlen, jeweils zur Verfügung stehenden Informationen und bisherigen Erfahrungen getroffen. Also sollten wir auch eine der eigenen Meinung nach schlechte Entscheidung akzeptieren – erst recht wenn wir uns entschieden haben, uns in dieser Krise auf das Positive zu konzentrieren. Sehen wir die großen Unterschiede zwischen uns doch als Möglichkeiten, um Empathie zu trainieren.

 

Ich wünsche mir, dass immer mehr Menschen sich dazu entschließen, die Corona-Krise bewusst als Chance wahrzunehmen. Es würde jedem Einzelnen und uns als Gesellschaft guttun. Es könnte viele Wunden heilen und verhindern.